Friedensvertrag mit der Natur

kjd. Ich stehe mutterseelenallein in den Räumen eines Barock-Schlosses und weine gerührt. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich auf diese Art mit gemalter Kunst in Verbindung trete. Bei jedem meiner Schritte schnurren die alten Holzdielen besänftigend, während ich mich in die Welten von Friedensreich Hundertwasser mische.

Dieses Erlebnis hat sich nachhaltig in mir abgespeichert. Angesprochen hat mich zunächst der Titel: „Friedensvertrag mit der Natur“. Der Besuch dieser Bilderausstellung schien mir eine gute Gelegenheit dem beruflichen Sehnsuchts-Ziehen nachzugeben, welches ich oft in der Ferienzeit spüre. Ich trat also mit dem Mindset einer fachlichen Weiterbildung in die Räume ein, als mir dieser all-eins Moment den Boden unter den Füssen wegzog.

Ich wusste vor diesem Ereignis kaum etwas über Hundertwasser. Sein Name war mir bekannt, ich habe viel Farbiges und eine gewisse Ausgeflipptheit mit dem Künstler in Verbindung gebracht. Von den eindrücklichen Dimensionen des Wirkens dieses Menschen dämmerte es mir allerdings erst in den Schlossräumlichkeiten.

Noch ein Jahr später hallt die Begegnung mit der Kunst dieses Mannes nach. Verschiedene Elemente haben mich in Schwingung versetzt. Da ist zuerst das Offensichtliche: Die tiefgründige Liebe zu Farben, die wir beide teilen. Seine Gemälde hinterliessen bei mir das Gefühl, dass Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt, wie er sich nannte, die Farbnuancen mit grosser Sorgfalt auswählte. Mir scheint, er hatte ein ganz präzises inneres Bild, welches er möglichst passend im Aussen nachbildete. Einen lebendigen Ausdruck für die eigene innere Welt zu finden, das berührt und bewegt mich.

Ich hatte zudem keine Ahnung, wie leidenschaftlich sich Hundertwasser für Mutter Erde engagierte. Seine Verbundenheit zur Sonne und dem Wasser, den Bäumen und Tieren ruft förmlich aus seinen Bildern heraus. Für die besonders dringlichen Botschaften fand er pointierte Worte und positionierte sie so, dass ich als Betrachterin nicht daran vorbeischauen kann. Ich muss mich den unbequemen Begebenheiten stellen: Dem Abholzen der Regenwälder, dem Schlachten der Wale, den Risiken der Atomkraft.

Mit dem Nachbarschaftsblick fällt mir bald auf, dass Hundertwasser sich, genau wie ich, auf die Suche nach zukunftsfähigen Formen des Zusammenlebens gemacht hat. Auf welche Weise lässt sich der Mensch stimmig in die Natur einbetten? Er selbst konnte offenbar in grösster Einfachheit leben und hat für sich Antworten auf ganz konkrete Fragen der Nachhaltigkeit gefunden. Hier seine durchaus humorvolle Skizze einer Humustoilette. Sich auf einer künstlerisch-philosophischen Ebene mit diesem Miteinander auseinanderzusetzen und gleichzeitig im eigenen Alltag praktische Umsetzungen zu finden, das lässt sein Engagement bei mir anklingen.

Während ich durch die Räume wandelte, habe ich mir kaum Gedanken über all das gemacht. Ich war mir auch den vielen Parallelen zum meinem eigenen Leben nicht bewusst. Vielmehr bin ich auf eine ganz sinnliche Art mit meinem ganzen Wesen in die Bildwelten eingetaucht und habe mich von ihnen durchfliessen lassen. Dadurch fühle ich mich noch heute reich beschenkt. Es ist, als hätte all das Obige in den Farben, Formen und im Glitzern mitgeschwungen.

Es gibt einen Blick auf Hundertwasser, der mich heute besonders herausfordert: Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich mich noch stärker von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen lösen könnte. Wie wäre die Wirkung meines Engagements, wenn ich den Mut hätte, noch radikaler mich selbst zu sein? Für das inspirierende Vorleben bedanke ich mich von ganzem Herzen.

Beitragsbild von Marina Vitale auf Unsplash


Kim Jana Degen hat 2017 gemeinsam mit Jeannine Brutschin momo&ronja gegründet. „Wir begleiten Menschen auf dem Herzensweg. Mit momo&ronja legen wir Wert auf das Zusammenspiel von innerem und äusserem Wandel. Unsere tiefe Verbundenheit mit der Natur findet Ausdruck in konkreten Angeboten und Projekten.“


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